Fasernessel                             (Urtica dioica L., convar. fibra)

Die Brennnessel, aus welcher durch Züchtung die Fasernessel entstand, ist in den gemäßigten Klimaten der gesamten Nordhalbkugel heimisch.

Fassernessel-Anzuchtfeld. Bildquelle: TLL Erfurt

Fasernessel                                                                  (Urtica dioica L., convar. fibra)

Herkunft

Als Ursprungsgebiet der weltweit verbreiten Nesselpflanze gilt heute Nordeurdost-europa.

Geschichte

Historische Belege für die Verwendung von Nesselfasern ergeben sich aus Mumien-Funden ägyptischer Pharaonen. Aufgrund guter Trocknungseigenschaften verwendete Christopher Kolumbus auf seinem Weg nach Amerika Segel aus Nesselfasern. Erst im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland (Leipzig) eine Nesselfasermanufaktur. Über Brenn-nesselsammelstellen wurde das Stroh erfasst und verspinnbare Fasern durch Abkochen mit Soda gewonnen. Allerdings war das Verfahren unwirtschaftlich und die Nesselfasern verschwanden nach dem 2. Weltkrieg.
Der Faseranteil der wilden Brennnessel ist mit ca. 2 bis 4 % vergleichsweise gering. Durch die Arbeiten von Gustav Bredemann, der die Nessel zwischen 1920 und 1950 züchterisch intensiv bearbeitete, konnte der Fasergehalt auf 20 % gesteigert werden. Dadurch verbesserte sich die Wirtschaftlichkeit der Fasergewinnung erheblich.
Aufgegriffen wurden die Ergebnisse von Bredemann Mitte der 1990er Jahre von Jens Dreyer. Durch weitergehende züchterische Bearbeitung entstanden optimierte Typen, die mit den Namen „Nesselgold“ und „Wulfsdorf“ beim Bundessortenamt eingetragen sind.
Heute werden neuere Brennneselklone vom Institut für Pflanzenkultur (IFP, Schnega) mit 20 % Fasergehalten in Praxisversuchen erprobt.
Im Unterschied zum Anbau der anderen Bastfaserpflanzen ist die Brennnessel eine Mehrjahres-pflanze. D.h., die Felder stehen nicht im regulären Acker-Fruchtwechsel, sondern können bei entsprechender Pflege über Jahrzehnte beerntet werden. Die Brennnessel ist ein Flachwurzler und verträgt weder alkalische (kalkhaltige) Böden noch Dauerfrost oder Staunässe. Bei einer Frühjahrstrockenheit leiden die Bestände unter der Konkurrenz von Beikräutern, die rechtzeitig mechanisch bekämpft werden müssen, um dennoch gute Ernten zu erhalten. Die bis zu ca. 250 cm hohen Pflanzen können mit einem Mähbalken geschnitten werden. Die anschließende Feldröste ist zur Stabilisierung der Fasern und Vorbereitung des Entbastens erforderlich.

Systematik

Taxonomisch wurde der Brennnessel eine eigene Familie Urticaceae zugeschrieben. Sie gliedert sich in sechs Tribus, wobei die Gattung Urtica dem Tribus Urticeae untergeord-net wurde. Die Fasernessel (Convarietät „fibra“) entstand durch gezielte Selektionen von Pflanzen der Art Urtica dioica.

Familie:     Urticaceae (Brennnesselgewächse)
Tribus:       Urticeae
Gattung:    Urtica (Brennnesseln)
Art:             Urtica dioica (Große Brennnessel)
Convar.:      fibra (Fasernessel)


Botanik

Im Vergleich zu Flachs und Hanf handelt es sich bei der Nessel um eine mehrjährige (perennierende) Pflanzenart, die als Dauerkultur viele Jahre Fasern liefert. Bisher liegen die Erfahrungen aus mehr als einem Jahrzehnt zu konstant guter Qualität der Fasern vor.

Heutige Nutzung

Die aktuelle Nutzung der Fasernessel konzentriert sich auf die Gewinnung feiner Fasern zur Herstellung hochwertiger Textilien und für medizinische Anwendungen. Da insbe-sondere die Vermehrung - bisher vegetativ - sehr kostenintensiv ist, wird hier nach kostengünstigeren Alternativen geforscht. Die Gewinnung elementarer Nesselfasern über Entholzung, Reinigung, Krempeln, Kardieren und Degummierung entspricht denen der anderen Bastfasern. Die Fasergewinnung ist demnach genau so aufwendig wie bei anderen Bastfasern, wenn dabei elementare Nesselfasern und nicht nur Faserstränge herstellt werden.

Heute sind bis auf die Vermehrung alle Verfahrensschritte des Anbaus, mechanische Aufbereitung, Reinigung, Degummierung, Spinnen, Weben, Stricken und Filzen weitge-hend etabliert.
Die Nesselschäben sind genauso wie die Schäben vom Hanf und Flachs für die verschiedensten Einsätze verwendbar. Unterschiede ergeben sich aus ihrer Geometrie und ihrem Bruchverhalten, das weniger scharfkantige Teilchen bedingt. Dadurch ist ihre Verwendung beim händischen Einsatz zur Erzeugung von Schäben / Kurzfasergemischen sowie Einstreu, Torfersatz oder Isolierungen angenehmer.
Die bei der Aufarbeitung entstehenden Stäube können aufgrund einer Vielzahl enthaltener Proteine und Mineralien als Dünger verwendet werden.
Beim Anbau werden keine Pflanzenschutzmittel benötigt, da die Brennnessel natürliche Abwehrmechanismen gegen Schädlinge besitzt. Über das Abfallen der trockenen Biomasse, vor allem der Blätter, erhöht sich der Humusanteil der Brenneselfelder über die Anbaujahre kontinuierlich.